"Transistorröhre" - Peavey Rage158 TransTube Eingangsstufe

RudiS

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Ein weiterer Vorverstärker (Eingangsstufe), den ich heute hier vorstellen möchte, ist die vom Peavey Rage.

Peavey hat versucht, den legendären "Röhrensound" mit Halbleitern in der sinnigerweise "TransTube" genannten Schaltung zu erreichen.

Und diese Schaltung habe ich nicht etwa deshalb ausgewählt, weil ich den Verstärker gut finde und zudem zufälligerweise selber besitze,
sondern weil ich das Schaltungskonzept interessant finde. Über den Klang gibt es im Netz unterschiedliche Meinungen.
Allerdings gibt es im Internet Anweisungen zur klanglichen Modifikation, die ich jedem Besitzer nur empfehlen kann.

01__Peavey-Rage158_schema.png

Die Eingangsstufe besteht aus zwei NPN-Transistoren, die darlington-"ähnlich" (ist aber keine) verschaltet sind.
Die Basisspannung des ersten Transistors wird nicht direkt durch einen Spannungsteiler aus der Versorgungsspannung gewonnen,
sie wird aus dieser auf 3 Volt herabgeteilt (siehe im Schema Label vb1) und über einen hochohmigen Vorwiderstand R2 zur Basis geleitet.
Parallel zu diesem Vorwiderstand findet man in der ersten Stufe zwei hintereinander geschaltete Dioden,
die das Eingangssignal spannungsabhängig begrenzen (stauchen).

02__Peavey-Rage158_TRAN1.png

Das ist der Teil der Schaltung, der zunächst am meisten verwundert. Die Diode D3 nach Masse hat (als Schutzdiode?)
keinen direkten Einfluss auf das Ausgangssignal, wie man leicht feststellen kann, wenn man sie weglässt.

Das ist bei den Dioden D1/D2 ganz anders! Wenn man diese weglässt, bekommt die Basis von Q1 über den 1MegOhm-Widerstand
nach wie vor Spannung/Strom, die Stauchung, die wir vorher bei der positiven Halbwelle beobachten konnten, verschwindet jedoch ganz!
Die Dioden bilden für die positive Halbwelle einen geringeren Widerstand als der Basisvorwiderstand,
ein Teil des Eingangssignals fliesst durch die Dioden über die Biasspannungsquelle V3 (kein Rser) bzw. den Elko nach Masse.

Lässt man den Elko C4 weg und erhöht den seriellen Widerstand der Biasspannungsquelle V3 auf sagen wir mal 100kOhm, wird man sehen,
dass die Stauchung trotz vorhandener Dioden verschwindet. Der Elko selbst bildet natürlich für Wechselspannung - frequenzabhängig -
einen geringen Widerstand nach Masse. Man könnte somit die Kathode von D2 direkt ohne Verbindung zur Biasspannungsquelle über einen Elko
mit Masse verbinden und bekäme das gleiche Resultat. Peavey hat die Biasspannung aus der Hauptversorgungsspannung abgeleitet
(vb1, eigentliche Biasspannung für Q1) und per Elko gesiebt und damit zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Warum zwei Dioden?
Um das zu verstehen, habe ich eine der beiden Dioden während der zweiten Hälfte der Simulationszeit (time line 5ms - 10ms) per Schalter kurzgeschlossen.
Man sieht deutlich, dass mit nur einer Diode das Signal dann noch stärker gestaucht wird.

03__Peavey-Rage158_TRAN2.png

Da der Basisstrom, gedrosselt durch die hohen Werte von Kollektor- und Emitterwiderstand von Q1, nur wenige Nanoampere (!) beträgt,
fallen über dem Basisvorwiderstand nur ein paar mV ab, an der Basis von Q1 liegen also nahezu 3V an, am Emitter von Q1 somit 3V-Vbe(Q1) ergibt 2.5V,
die gleichzeitig die Basisspannung von Q2 bilden.
Der Kollektorwiderstand übt seine Funktion für beide Transistoren aus, abhängig vom Emitterwiderstand beträgt der Kollektorstrom für Q1 nur ca. 6uA, für Q2 ca. 90uA.
Da der Lastwiderstand (R7) parallel zum Kollektorwiderstand liegt, muss R7 entsprechend hochohmig sein.

Insgesamt gibt es vier derartige Stufen im Rage 158, die nachfolgenden drei haben jedoch nur eine Diode parallel zum Basisvorwiderstand,
die Basisspannung ist dementsprechend auf 1.5V reduziert worden. Zudem haben die Emitterwiderstände unterschiedliche Werte.
Zwei dieser Stufen können per Schalter zwischen erster und vierter Stufe für Distortion eingefügt werden.

04__Peavey-Rage158_FFT1.png

Schauen wir uns das FFT1 an. Anfangs ist die 2. Harmonische stärker, dann die 3., bis sie einander ziemlich die Waage halten.
4. und 5. Harmonische sind ebenfalls recht dominant.

Was bzw. wie viel hört man denn eigentlich von den Harmonischen?
Alles, was -60dB überschreitet (rote Linie), ist prinzipiell (=für geschulte Ohren) hörbar.
Bei 200mV Eingangsspannung erreicht die 3. Harmonische gerad mal -70dB, die 2. -80dB.
Da spitzt man glaube ich die Ohren vergebens. Aber wir betrachten ja nur die erste Stufe!
Man muss also schon kräftig in die Saiten greifen, um in der ersten Stufe hörbare Verzerrungen zu erzeugen.

Wer wie ich einen sauberen Ton liebt und lieber in der Eingangsstufe höhere Harmonische vermeiden möchte,
kann dies mit einem Kniff leicht erreichen. Dazu verringert man den Widerstand R1 am Eingang von 47k auf 1k.
Nach erfolgter TRAN-Simulation noch einmal die Fourier-Analyse aufrufen.

05__Peavey-Rage158_FFT2.png

Es treten jetzt vorwiegend zweite und dritte Harmonische auf, höhere Harmonische sind durchweg unbedeutend.
Je höher die Eingangsspannung, desto mehr gleichen sich zweite und dritte Harmonische an,
erkennbar an der abnehmenden Steigung ihrer Verbindungslinien. Bis zum Schluss dominiert jedoch die zweite Harmonische.
(Na, wenn das kein Röhrensound ist! - grins- )

[Anmerkung: Um in einer einzigen Tran-Simulation die Wirkung von einer oder zwei Dioden zu zeigen,
habe ich ja eine während der zweiten Hälfte der Simulationszeit kurzgeschlossen. Das muss man beim FFT berücksichtigen!
Dazu für den normalen 2-Dioden-Kurventeil im Parameterfenster des FFT bei "Time range to include"
"Specify a time range"
selektieren und bei "End Time:" 5ms eintragen!]

Generell sollte der Verstärker aber im Clean-channel-Bereich recht sauber klingen.
Die zuschaltbare Zwischenstufe aus zwei der oben gezeigten Schaltung besitzt sowohl am Eingang wie am Ausgang Potis,
mit denen je nach Einstellung geringe bis starke Verzerrung erzielt werden kann.

06__Peavey-Rage158_AC.png

Der Frequenzverlauf ist ziemlich geradlinig zwischen 3kHz und 50kHz, er erstreckt sich im -3dB-Bereich von 8Hz bis knapp 600kHz.
Zwischen 100Hz und 1kHz findet eine geringe Verstärkung von 2dB statt, verantwortlich dafür sind C2 und R6 parallel zum Emitterwiderstand von Q2.
Der Eingangswiderstand liegt grösstenteils etwas unter 1MegOhm und sinkt bei 10kHz auf ca. 600kOhm ab.

07__Peavey-Rage158_NOISE.png

Das Rauschverhalten ist nicht so be-"rausch"-end: 21uV über den Audiobereich gemessen.
Die Verstärkung beträgt bei 100Hz 6.2 und bei 1kHz 7.7.

Wer einen billigen Übungsverstärker sucht, ist mit dem Peavey Rage 158 sicher nicht schlecht bedient,
da er second hand meist sehr preisgünstig zu haben ist. Wer ein Sounddemo hören möchte
oder eine Anleitung für Modifikation sucht, wird auf Youtube unter "Peavey Rage 158" fündig.

RudiS
 

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